Frauentog in Köpenick
  Stellungnahme von Verbänden
 

 

Stellungnahme: Errichtung einer Schwimmsteganlage „Seepromenade Frauentog" in der Spree-Oder-Wasserstr., bei km 33,26, rechtes Ufer, vor der Müggelheimer Str., 12555 Berlin

hier:

Stellungnahme der BLN,

des BUND (LV Berlin),

des NABU (LV Berlin),

der Baum-schutzgemeinschaft Berlin,

der GRÜNEN LIGA Berlin,

der Schutzgemeinschaft Deut-scher Wald (LV Berlin),

des Naturschutzzentrums Ökowerk Berlin,

NaturFreunde (LV Berlin)

und der übrigen BLN-Mitgliedsverbände

Bezug: Ihr Schreiben vom 26. Oktober 2005, eingegangen am 28. Oktober 2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit nehmen wir Stellung, zu dem von ihnen übersandten Eingriffsgutachten zum Vorhaben „Seepromenade Frauentog". Das Vorhaben stellt einen Eingriff gem. § 14 NatSchGBln dar.
Wir lehnen das Bauvorhaben aus folgenden Gründen ab:
Es besteht aus unserer Sicht keine Notwendigkeit weitere Anliegestellen in diesem Bereich anzusiedeln. Ebenso bezweifeln wir den Bedarf weiterer Sportbootverleih-Anbieter, da dieses Gewerbe bereits mehrfach dort vertreten ist. Derzeit gibt es 2 Anlegestege. 1 Schwimmsteg von ca. 15 m Länge des Tourismusverbands Köpenick, auf die Saison begrenzt, direkt im Frauentog an der Müggelheimer Str. und einen weiteren auf der Seite des Kietzes in Höhe des Flussbades Gartenstraße. Beide Stege sind mit dem Zeichen der „gelben Welle" versehen,
Schreiben vom 25.11.05 Seite 2
d.h., dass an diesen Stegen Wasserwanderer und Sportbootfahrer, die sich Köpenick ansehen wollen (entgegen dem Gesetz der Beeinträchtigung von Fischereigewässern) keine Gebühren zahlen müssen. Das lockt in der Saison einige Besucher an. Jedoch sind es selten so viele Besucher, dass jemand abgewiesen werden muss. Wenn der Steg des Tourismusverbandes trotzdem mal voll besetzt sein sollte, bleibt neben dem Steg am Flussbad noch mindestens ei-ne weitere Anlegemöglichkeit im Norden der Altstadt. (Nähe Landjägerstr. 1) Dazu gibt es mehrere kleinere Stege rund um die Altstadt. Die in dem Eingriffsgutachten genannten 20.000 Sportboote pro Jahr und erwähnten „Wildankerungen" in der Bucht konnten von Anwohnern des Kietzes nicht bestätigt werden. Wenn es einen steigenden Bedarf an Schwimmstegen in Köpenick gibt, so sehen wir genügend Alternativen in einem begrenzten und durchaus natur- und landschaftsverträglich möglichen Ausbau anderer Anlagen im Gebiet. Die Notwendigkeit des Bedarfs dieser Anlage im Frauentog können wir nicht erkennen. Grundsätzlich sind die Ausmaße des geplanten Schwimmsteges mit 210 m Länge, 4 m Breite und einer Plattform von 96 m² überdimensioniert.
Aus naturschutzfachlicher Sicht bestehen gegen das Vorhaben ebenfalls schwerwiegende Bedenken. Es konnten in dem Gebiet verschiedene, teilweise gefährdete Tierarten nachge-wiesen werden. So spricht gegen die Errichtung einer Schwimmsteganlage eindeutig der Nachweis des Vorkommens von Fischottern. Da im Frauentog nur kleinere Boote in langsa-mer Fahrt verkehren, bildet er ein Rückzugsgebiet für viele Fischarten und somit ein gutes Jagdrevier für die seltenen, unter strengem Schutz stehenden Fischotter (Rote-Liste-Art). Weitere nachgewiesene gefährdete Tierarten (Rote Liste 3) sind der Aaland, Gründling und Rapfen (speziell Laichgewässer - s. Müggelsee). Da der Rapfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Berlin als nicht gefährdet gilt, ist allein das Vorkommen desselben kein Grund, ein Gewässer nach FFH-Richtlinie unter besonderen Schutz zustellen. Sollte es sich jedoch um den Nachweis von Jungfischen handeln, was in dem Eingriffsgutachten leider nicht erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass der Rapfen auch im Frauentog laicht. Die Laichgewässer des Rapfen stehen unter besonderem Schutz. Spätestens jedoch bei den gefundenen Muscheln bzw. Schnecken zeigt sich der besondere Schutzstatus des Frauentogs. Allein 7 Rote Liste Arten Berlin/Brandenburg von 16 gefundenen Arten bei den Schnecken und 5 Rote Liste Arten Berlin und 8 Brandenburg bei den Muscheln von 12 insgesamt gefundenen Arten. Davon sind 1 Schneckenart sowie 3 Muschelarten vom Aussterben bedroht (Kat. 1) und 3 Schneckenar-ten stark gefährdet (Kat. 2). Der Rest gilt als gefährdet (Kat. 3) oder es ist eine Gefährdung anzunehmen bzw. stehen auf der Vorwarnliste. Hinzu kommen Rote Liste Vogelarten, wie z. B. Eisvogel und Schellente, die laut Gutachten im Sommer im Frauentog angetroffen wurden. Durch das Vorhaben werden die Tiere einer ganzen Reihe weiterer Störungen, z.B. durch Ver-lärmung, Schadstoffeintrag und Beleuchtung ausgesetzt.
Schreiben vom 25.11.05 Seite 3
Dazu kommt die zu erwartende Verschlechterung der Wasserqualität durch Schiffsrotoren, Schadstoffeintragung und Verlärmung sowie die Gefährdung des vorhandenen Röhrichtbe-standes. Diese Gefährdung wird sowohl durch den Baubetrieb verursacht, als auch nach Fer-tigstellung des Steges weiter bestehen aufgrund der Zunahme von Anlegern. Weiterhin ist mit einer Verschlechterung der Wasserqualität zu rechnen, da Aktivitäten wie „Entenfüttern" durch einen verbesserten Zugang zur Wasserfläche zunehmen werden.
Die geplante Dimensionierung der Schwimmsteganlage und die damit steigende Anzahl von Anlegern widerspricht im Weiteren der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die folgendes ver-langt: Bis zum Jahr 2015 soll ein „guter ökologischer Zustand" der Gewässer hergestellt sein. (Gewässergüteklasse 2). Dazu zählen Reduzierung der Nähr- und Schadstoffeinträge in Ge-wässer und Verbesserung der Wasserstrukturen. D. h. oberirdische Gewässer sind so zu be-wirtschaften, dass eine nachteilige Veränderung ihres ökologischen und chemischen Zustan-des vermieden und ein guter ökologischer und chemischer Zustand erhalten oder erreicht wird.
Für die Steganlage werden 90 Betongewichte mit einer Grundfläche von je 1,21 m² und einem Volumen von 0,9 m³ benötigt werden. Die gesamte Grundfläche, die für die Verankerung auf dem Gewässergrund notwendig wird, beträgt ca. 109 m². Das entspricht in etwa der Grundflä-che von ein bis zwei Einfamilienhäusern. Somit kommt diese Steganlage einer Bebauung von Wasserflächen (ähnlich der Versiegelung von offenen Landschaften) gleich. Die Schwimm-steganlage würde zu einer Verschattung des Gewässers führen und somit zu einer Verände-rung der Primärproduktion. Zur Bilanzierung der Ausgleichsmaßnahmen ist folglich eine über-baute Gesamtfläche von 936 m² anzusetzten.
Nicht akzeptabel ist, dass das Schutzgut Klima/Luft vernachlässigt wurde. Durch ein erhöhtes Aufkommen von Motorbooten ist durchaus mit einer Verschlechterung der Lufthygiene zu rechnen. Dies hätte nach Auhagen mit bilanziert werden müssen. Wir fordern daher eine er-neute Auswertung des Schutzguts Klima/ Luft.
Das Vorhaben stellt in seiner Dimensionierung einen erheblichen Eingriff ins Landschaftsbild dar. Vor allem durch die Kulisse des Schlosses ist der Frauentog ein optisch wertvoller Be-reich, der, auch im Hinblick auf die Altstadt Köpnick, einen sehr sensiblen Umgang erfordert. Der geplante Steg allerdings fügt sich in keiner Weise in das bestehende Ensemble in der Bucht von Schlossinsel und gegenüberliegendem ehemaligem slawischem Kietz. Für die Att-raktivität Köpenicks und aus Gründen der historischen Landschaftserhaltung erscheint es uns wesentlich, dass diese gegenseitige Sichtbeziehung erhalten bleibt. Es leuchtet nicht ein, dass Berlin jahrelange und kostenaufwendige Bemühungen zur Rekonstruktion von Schloss und Schlossinsel unternimmt, jetzt aber für 32 Steganlagen der Zusammenhang von Schloß und
Schreiben vom 25.11.05 Seite 4
Kietz in seiner Sichtbeziehung zerstört wird. Dies wird nach unserer Meinung auch nicht durch 600 m² Röhricht südlich der Schlossinsel ausgeglichen.
Warum sind keine Untersuchungen zum Vorkommen von Makrophyten angestellt worden?
Positiv zu bewerten ist die geplante Verwendung von insektenschonenden Lichtquellen (Natri-umdampflampen), sowie die Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit für Motorboote.
Die geplante Anlage überschreitet in ihren Ausmaßen eindeutig eine gemeinverträgliche Nut-zungsdichte des Gewässers. Damit widerspricht sie dem § 62 a (1) BWG. Zudem dürfen hiernach weder Beeinträchtigungen für das Wohl der Allgemeinheit,..., noch erhebliche Nachteile für die Rechte und Befugnisse anderer verursacht werden. Jedoch kommt es zu ei-ner Beeinträchtigung des Wohngefühls der Anwohner in Form von Einschränkung der Sicht-achse, zunehmender Unruhe, Beleuchtung und Verschmutzungsgefahr. Das bedeutet eine erhebliche Wertminderung derer Grundstücke. Zudem wirkt diese große moderne Form des Steges dem in den letzten Jahren zurück gewachsenen und gewünschten Gesamtbild des Alt-stadtcharakters von Köpenick, rund um die Schloßinsel, entgegen. Weiterhin ist zu Bedenken, dass im Frauentog durch Vertreter der Binnenfischerei Fischfang mittels Stellnetzen betrieben wird. D. h. es handelt sich um ein Fischereigewässer, welches nicht durch intensiven Schiffs-/Bootsverkehr beeinträchtigt werden darf. Als weitere Baumaßnahme werden immer wieder die Schaffung von Restaurants und Bistros genannt, auch wenn diese nicht Bestandteil dieser Eingriffsplanung sind. Da in der Altstadt bereits mehrere Restaurants und Cafés, sowie Kultur-stätten, wie das Schlossplatztheater und der Ratskeller, etc. existieren, sind diese Baumaß-nahmen nicht akzeptabel. Da das weitere Versiegelungen von Grünflächen nach sich zieht, können wir der Schaffung des Funktionsgebäudes mit einer Nutzfläche von 120 m² (Sanitärbe-reich, Räume für Müllentsorgung + Bistro) nicht zustimmen. Aus touristischer Sicht entzieht ein solches Angebot die Touristen den vorhandenen gastronomischen Einrichtungen.
Das Ausmaß des geplanten Steges entspricht unsere Meinung nach eher einer Nutzung des Steges als Dauerliegeplatz. Dafür spricht auch, das die bisher vorhandenen Steganlagen mit Inbetriebnahme der Schwimmsteganlage zurück gebaut werden sollen und die dortigen Anlie-ger den Schwimmsteg mitnutzen müssten.
Auch ist die Schaffung eines Liegeplatzes für ein historisches Schiff und/oder ein weiteres Re-staurantschiff kein ausreichender Grund für den Bau des Steges. Ein weiteres Restaurant-schiff „Ars Vivendi" ankert bereits an der Str. der Freiheit (Nördlich der Altstadt). Selbst wenn man das historische Schiff als einen touristischen Anziehungspunkt sehen will,
fragt man sich, wo der konzeptionelle Zusammenhang zur Altstadt Köpenick besteht, zumal dort ein reichliches Angebot an Kulturstätten besteht. Dabei macht doch gerade die Ruhe auf-
Schreiben vom 25.11.05 Seite 5
grund umfangreicher Wald- und Wasserflächen sowie der historische Charakter des Stadt-kerns und des Kietzes den Charme von Köpenick aus.
Zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist zu sagen, dass der Abriss des bestehenden Steges des Tourismusverbandes keine Ausgleichsmaßnahme in dem Sinne darstellt, da der geplante Steg den vorhandenen Steg ersetzen soll.
Grundsätzlich stellt das Anpflanzen von Röhricht zwar eine gute Ausgleichsmaßnahme im Sinne des Naturschutzes an Gewässern dar. Kritisch sehen wir allerdings die Variante des Schwimmenden Röhricht, da sich dieses erfahrungsgemäß an anderer Stelle nicht dauerhaft etablieren konnte (Beisp. Moorlake). Fraglich ist auch, ob die Anpflanzung am Westufer des Frauentogs vor dem südlichen Teil der Schlossinsel sinnvoll ist. Die im Süden des Frauentogs angrenzende Dahme ist eine Bundeswasserstraße, welche von großen Lastschiffen frequen-tiert wird. Der von diesen Schiffen erzeugte Wellenschlag ist unserer Meinung nach nachteilig für Neuanpflanzungen von Röhricht an dieser Stelle des Frauentogs. Der vorhandene Röh-richtbestand befindet sich am Ende des Frauentogs rechts vom Abfluss in den Kietzgraben, geschützt aufgrund der vorhandenen Baustruktur (quasi im „Schatten" der Bebauung) und ist somit solchen Belastungen nicht ausgesetzt. Sinnvoller wäre es aus unserer Sicht, in diesem Bereich weitere Flachwasserzonen zu schaffen, diese mit Röhricht zu bepflanzen und ent-sprechend vor mechanischen Einflüssen zu schützen. Nicht nachvollziehbar ist, inwiefern schwimmender Röhricht eine Aufwertung der Gewässermorphologie darstellt. Ebenfalls ist zu bezweifeln, dass diese Maßnahme eine derartige Verbesserung des Landschaftsbildes dar-stellt, dass damit eine Aufwertung um 69 Wertpunkte erzielt wird.
Der Herrichtung eines Flachwasserbereiches östlich des Schlosses stehen wir positiv gegen-über. Wünschenswert wäre es, wie bereits erwähnt, diesen neugeschaffenen Flachwasserbe-reich mit Röhricht zu bepflanzen, welches allerdings vor Wellenschlag durch eine Lahnung geschützt werden müsste.
Eine Renaturierung des Kietzgrabens nordöstlich der Landjägerstraße bis zur Spree halten wir grundsätzlich für sinnvoll. Allerdings verläuft der Kietzgraben auf mindestens 2/3 seiner Länge an bzw. zwischen hohen Grundmauern von Häusern, an seinem Ende in Höhe der Landjäger-straße einseitig am Heimatmuseum von Köpenick. Somit ist eine Renaturierung nur gestückelt möglich. Die reale Umsetzbarkeit der Angabe von 12.600 m² im Eingriffsgutachten ist so frag-lich. Ebenfalls unklar ist, wie innerhalb dieser baulichen Situation ein Wanderweg entlang des Kietzgrabens angelegt werden soll.
Die genannten Ersatzmaßnahmen nach Tab. 27 sind aus unserer Sicht sinnvoll.
Schreiben vom 25.11.05 Seite 6
Die alternativen Ersatzmaßnahmen sind abzulehnen, da sie keinen adäquaten Ersatz für ei-nen Eingriff im Wasser darstellen. Sollten die in Tab. 27 genannten Maßnahmen nicht umge-setzt werden, sind alternative Ersatzmaßnahmen zur Renaturierung und ökologischen Ver-besserung von Gewässern in Köpenick zu sondieren.
Aus unserer Sicht wäre ein sensiblerer Umgang mit dem Bereich des Frauentogs notwendig. Dazu gehört vor allem eine deutliche Reduzierung der geplanten Größe der „Seepromenade". Ebenfalls wäre es wünschenswert, als weitere Minderungsmaßnahme Hinweisschilder zu den Folgen des Entenfütterns aufzustellen. Da das Vorhaben weitreichende Konsequenzen, so-wohl aus naturschutzfachlicher Sicht, für das Landschaftsbild sowie sozialer Art hat, können wir uns dem in der vorliegenden Form nicht anschließen und fänden ein Überdenken der Pla-nung wünschenswert.
Mit freundlichem Gruß
Manfred Schubert
(Geschäftsführer)
für unsere nach § 60 BNatSchG anerkannten Mitgliedsverbände:
gez. Dr. H. Berger (Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin)
gez. T. Hauschild (Naturschutzbund Deutschland, LV Berlin)
gez. J. Herpich/G.Strüven (NaturFreunde, LV Berlin)
gez. Prof. Dr. H. Kächele (Bund für Umwelt und Naturschutz, LV Berlin)
gez. Prof. Dr. H. Kenneweg (Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, LV Berlin)
gez. G. Lange (Baumschutzgemeinschaft Berlin) gez. L. Miller (GRÜNE LIGA, Berlin)
 
   
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden